Liebe Deinen Nächsten wie dich selbst

Wie verstehst Du diesen Satz von Jesus aus der Bibel? In der christlich-kirchlichen Tradition wird er als Gebot der  "Nächstenliebe" interpretiert. Also dahingehend, für den Nächsten zu sorgen und sich selbst zurück zu nehmen. Der Teil "wie Dich selbst" fällt eher unter den Tisch. Oder hast Du schon mal im kirchlichen Kontext gehört, dass man sich selbst lieben soll? Auch gesellschaftlich wird das noch eher mit Egoismus gleichgesetzt. Aber was hat Jesus wirklich damit gemeint? Was wollte er uns vermitteln? Hast Du dir darüber schon mal Gedanken gemacht oder in Dich hinein gespürt? Ich lade Dich wieder ein auf eine Entdeckungsreise!

Viele christlich erzogene Menschen versuchen, dieses Prinzip der Nächstenliebe zu leben. Und das ist auch gut so, denn nur mit einer liebevollen Haltung einem anderen Wesen gegenüber kann sich Frieden ausbreiten.  Aber meiner Meinung nach fängt die Liebe zuerst bei jedem selbst an. Ich bin sicher, dass es Jesus bewusst war in seiner tiefen Weisheit.

Lass mich Dir ein Beispiel geben: stell Dir vor, Du hast eine Kollegin, die hier und da einen Schlüssel vergisst, mal einen Termin oder auch Unterlagen zu einem Meeting. Sie kann das einfach locker wegstecken und darüber lachen. Und niemand scheint darüber verärgert zu sein. Außer - DIR!! Obwohl du Deine Kollegin total gerne hast mit ihrer herzlichen, liebevollen Art - Du kannst es einfach nicht verstehen: das geht doch nicht, man darf solche Fehler nicht machen - und dann auch noch drüber lachen! Und wie ist es mit Dir? Machst Du auch mal Fehler? Wie geht es Dir damit? 

Ja, natürlich vergisst Du auch mal was! Wie fühlt sich das an? Ärgerst Du Dich über Dich selbst und ist es Dir furchtbar peinlich? Hast Du möglicherweise auch Angst vor der Ablehnung der anderen? Wie schön wäre es doch, auch darüber lachen zu können! 

Und hier kommt der Aspekt der mangelnden Selbstliebe ins Spiel. Woher kommt es, dass Du dich und andere für Fehler verurteilst? Woher kommt Deine große Angst vor Fehlern? Wie wurdest Du in Deiner Kindheit behandelt, wenn du etwas falsch gemacht hast? 

Wenn Du mit diesen Fragen in Resonanz gehst, vermute ich mal, dass Fehler in Deiner Kindheit nicht geduldet wurden. Da wurde nicht gesagt: "Ach komm, ist nicht schlimm, davon geht die Welt nicht unter!" oder "Wir schauen mal gemeinsam, wie Du es beim nächsten Mal anders machen kannst!". Nein, wahrscheinlich wurdest Du auf irgendeine Weise bestraft, z.B. ignoriert, böse angesehen, geschimpft. Und in Dir verfestigte sich jedes Mal mehr das Gefühl, nicht gut genug zu sein, nicht geliebt zu werden. 

So ist der Glaubenssatz entstanden: "ich bin nicht liebenswert, wenn ich Fehler mache". Und in diesen Momenten kannst Du Dir keine Liebe geben, sondern spürst eine Selbstablehnung. Wahrscheinlich ist Dir gar nicht bewusst, dass es sich "nur" um einen Glaubenssatz handelt. Für Dich ist es die Wahrheit, weil Deine innere strenge Stimme es Dir einredet. Diese Instanz hast Du stellvertretend für die Bezugspersonen entwickelt, die Dich in der Kindheit so behandelt haben. Denn als Kind glaubst Du, dass die Erwachsenen recht haben und Du versuchst alles, um ihnen zu gefallen, Dir ihre Zuwendung zu sichern und somit letztendlich zu überleben. Wer weiß, warum Deine Bezugspersonen sich so verhielten. Vielleicht haben sie ähnliche Erfahrungen bei Fehlern gemacht und wollten Dich im Grunde davor bewahren, von der Gesellschaft ausgestoßen zu werden. Denn das ist eine tiefe Urangst. Ausgestoßen-Werden war früher oft gleichbedeutend mit dem Tod. Unter dem ersten Glaubenssatz kann also noch ein zweiter liegen: "wenn ich Fehler mache, werde ich aus der Gemeinschaft ausgestoßen und sterbe". Die auslösenden Gründe für diesen Glaubenssatzes können weit in Deiner Ahnenlinie zurück liegen.

Mit dieser lebensbedrohlichen Überzeugung ist die heftige Reaktion auf die eigenen und Fehler der anderen verständlich. Die Fehler der anderen spiegeln die eigene Todesangst und müssen deshalb vehement verurteilt werden. Und deswegen lehnst Du nicht nur bei Dir selbst, sondern auch bei anderen Menschen Fehler ab.  Es verwirrt Dich allerdings, wenn Du solche fehlerbehafteten Menschen trotzdem magst. Genau da liegt eine Chance der Heilung: tief in Dir ist noch ein heiler Kern, der weiß, dass Du und andere jederzeit liebenswert sind!  Und wenn Du sowohl das Gefühl des Nicht-Geliebt-Werdens als auch diese tiefe Urangst vor den Folgen des Ausgestoßen-Werdens erkennst, ansiehst und die damit verbundenen Gefühle mit fühlst, kannst Du Deine Glaubenssätze transformieren. 

Es ist wichtig, diese tiefen Ängste und den tiefen Schmerz wirklich einmal wahrzunehmen und durch den Prozess des Fühlens zu gehen. Erst dann kannst Du sie annehmen, "Ja" dazu sagen. Das ist alles, was es braucht, dieses innere "Ja" der Annahme. Dann wird sich eine tiefe Ruhe und ein tiefer Frieden in dir ausbreiten. Und plötzlich zeigt sich da ein kleines Licht der Selbstliebe in Deinem Herzen, das Dich immer mehr erfüllt, jede einzelne Zelle Deines Körpers. Und Du spürst eine überschäumende Freude und Mitgefühl mit Dir selbst.

Ab jetzt kannst Du auch die vermeintlichen Fehler anderer Menschen gelassen annehmen. Und Du ärgerst Dich nicht mehr über Dich und andere sondern lachst darüber und findest mit ihnen Lösungen! Du begibst Dich in eine neue Leichtigkeit, ein neues Gefühl der Verbundenheit!

Jesus wusste, dass diese Annahme der eigenen Schattenthemen - wobei das mit den Fehlern ein Beispiel war - notwendig ist. Ansonsten verdrängst Du die Schattenthemen, nimmst sie anstatt bei Dir bei Deinem Nächsten wahr und verurteilst ihn dafür. Erst wenn Du den Prozess der Annahme durchläufst, gelangst Du zur Liebe Deiner selbst und Deines Nächsten.

Diese wahre Nächstenliebe hat Jesus meiner Meinung nach ausdrücken wollen! Ich wünsche sie auch Dir von ganzem Herzen!

Und wenn Du alleine nicht weiter kommst, bin ich gerne für Dich da!

 

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