Erwartungen? Mit mir nicht!

Wie definierst Du Erwartungen? Wo fangen sie für Dich an? Würdest Du zum Beispiel sagen, dass eine gesetzliche Vorschrift eine Erwartung an Dich stellt, der Du nachkommen musst? Oder dass vertragliche Vereinbarungen solche Erwartungen sind? Was ist mit Umgangsformen bei Begrüßung? Diese können ja auch ganz unterschiedlich sein von Mensch zu Mensch, von Kulturkreis zu Kulturkreis. Du siehst, da tut sich ein weites Feld auf. Vor allem auch im Hinblick darauf, ob Erwartungen erfüllt werden sollten oder nicht. Und welche Konsequenzen das jeweils hat. Lass uns das Ganze mal etwas aufdröseln.

Gesetzliche Vorschriften und Verträge

Da sind zunächst gesetzliche Vorschriften und damit einhergehende Verordnungen. Diese haben wir nicht mitgestaltet, nur indirekt durch die Wahl bestimmter Parteien. Diese Vorschriften richten Erwartungen an uns und wenn wir sie nicht erfüllen, kann das negative Konsequenzen nach sich ziehen. Parken in der Parkverbotszone = Knöllchen. Steuererklärung nicht abgeben = Zwangsgeld. Einen anderen Menschen vorsätzlich verletzen = Schadensersatz und ggfs. Gefängnisstrafe. 

Wir sind - je nach Ausmaß der negativen Konsequenzen - eher bemüht, die Erwartungen gesetzlicher (u.ä.) Vorschriften zu erfüllen. 

Bei Verträgen hast Du dagegen die Möglichkeit der Mitbestimmung und die, einen Vertrag nicht abzuschließen, wenn Du damit nicht einverstanden bist. Bei einem Vertrag sind gegenseitige Erwartungen vereinbart worden und die Parteien eher gleichberechtigt.  Wahrscheinlich wirst Du bemüht sein, die vertraglichen Erwartungen zu erfüllen. Aber auch hier kann das Maß der Mitgestaltung mal größer und mal kleiner sein. Du hast manchmal keine andere Wahl als einen Vertrag abzuschließen wie z.B. Mietvertrag, Arbeitsvertrag oder Krankenversicherung. Bestimmte Bedingungen/Erwartungen wirst Du vielleicht nur widerwillig akzeptieren damit einige von Deinen Erwartungen wiederum erfüllt werden. Du schließt also Kompromisse, die für Dich noch akzeptabel sind.

Vielleicht hast Du gesetzliche Vorschriften und Verträge noch nie als Erwartungen gesehen? Fühle mal hinein, was sich dadurch verändert! Für mich verlieren sie von der Energie her dadurch an Starrheit, sie werden weicher und veränderlicher. Das heißt jetzt nicht, dass wir aufgefordert sind, ihnen zuwider zu handeln. Mir geht es rein um das energetische Empfinden.

Klassische Erwartungen

Was würdest Du als Erwartungen im klassischen Sinn sehen? Diese gründen auf - meist unausgesprochenen - Regeln, an die wir uns halten. Höflichkeit, Pünktlichkeit (besonders wir Deutschen!), andere Menschen ausreden lassen, sich nicht beleidigend verhalten (gilt eher nicht für Politiker?!). All diese Verhaltensweisen, über die in einem bestimmten Kulturkreis mehr oder weniger Konsens herrscht. Diese Verhaltensweisen erleichtern das Zusammenleben. Wir müssen nicht großartig darüber nachdenken, was in einer bestimmten Situation angemessen ist, sondern halten uns einfach an unausgesprochene Regeln/Erwartungen. 

Doch auch hier kann es zu Konflikten kommen. Ältere Menschen haben teilweise andere Regeln gelernt als jüngere, es gibt Unterschiede in den Kulturkreisen. Jugendliche starren z.B. bei einem Familientreffen ständig auf das Smartphone - sie kennen es untere Gleichaltrigen nicht anders -, während die ältere Generation das als unhöflich empfindet. Bei muslimischen Beerdigungen gehen die Frauen nicht mit zur Grabstätte - und wenn doch, müssen sie hinter den Männern gehen. Als deutsche/christliche Teilnehmerin an einer solchen Beerdigung ist das befremdlich.

Exkurs - Wertvorstellungen als Grundlage

Diese ganzen Regeln und daraus resultierenden Erwartungen beruhen auf bestimmten Wertvorstellungen. Auch Wertvorstellungen können sich im Laufe der Zeit wandeln. In der Nachkriegszeit und bis in die 80ger Jahre hinein waren u.A. Fleiß und Gehorsam als Werte sehr wichtig. Dann begann es sich langsam zu verändern in Richtung Work-Life-Balance und Selbstverwirklichung. Wenn du magst, überlege einmal, welche Regeln und Erwartungen deshalb neu entstanden sind. 

Erwartungen in der Familie

Ich möchte hier auf Erwartungen eingehen, von denen wir uns befreien dürfen, die uns schon ein Leben lang belastet haben. Unausgesprochene Regeln, denen wir als Kind entsprechen mussten, um Zuwendung und positive Resonanzen der Eltern/nahen Bezugspersonen zu erhalten. Das Bedürfnis eines Kindes nach Liebe von den Eltern ist ganz natürlich, denn die Eltern sichern das Überleben des Kindes mit ihrer Versorgung. Und es steckt einfach grundsätzlich auch der Wunsch nach lieben und geliebt werden dahinter. Wir Menschen mit unserer Seele im Körper wollen die Liebe erfahren mit all unseren Sinnen. Das ist ein Grund für unsere Inkarnation. Und für ein Kind ist das noch vollkommen natürlich. Es liebt einfach, es kann gar nicht anders.

Und deshalb wird ein Kind meist alles tun, alle Erwartungen erfüllen, um Zuneigung von den Bezugspersonen zu erhalten. Diese Muster bleiben oft bis in das Erwachsenenleben erhalten. Die Eltern (ich spreche im weiteren Text von "den Eltern", manchmal trifft es aber auch nur auf einen Elternteil zu) brauchen nur bestimmte Knöpfe zu drücken, schon hat die erwachsene Tochter oder der erwachsene Sohn Schuldgefühle. Kennst Du das auch? Welche Triggerpunkte sind es bei Dir? Spürst Du das als Unbehagen irgendwo im Körper? Und dann bewegst Du Dich zwischen den beiden Polen "ich will geliebt werden, Anerkennung erhalten" und "ich will für mich selbst sorgen und frei entscheiden". Ein Spagat, der immer wieder sehr viel Kraft kosten kann. Eigentlich möchtest Du Frieden mit Deinen Eltern, ein harmonisches Verhältnis. Du möchtest erklären, was bestimmte Äußerungen bei Dir auslösen. Dass Du unausgesprochene Erwartungen dahinter vermutest, die du nicht erfüllen willst. Und schaffst es nicht in einer ruhigen Art und Weise, weil Deine Schuldgefühle und Ängste Dich fest im Griff haben. Möglicherweise gehst Du auch davon aus, dass Deine Eltern Dich nicht verstehen und Du wieder Ablehnung erfährst.

Es ist besonders dann fatal, wenn es sich um die schon erwähnten unausgesprochenen Erwartungen handelt, deren Erfüllung für die Eltern völlig selbstverständlich sind. So was wie einmal in der Woche anrufen. Zuhören, wenn sie langweilige Einzelheiten über Nachbarn erzählen. Mit den Eltern zum Arzt gehen, für sie einkaufen, was auch immer. Die Eltern gehen davon aus, dass es sich so "gehört". Von einem Generationenvertrag: sie haben für Dich gesorgt, als Du klein warst und jetzt bist Du dran. Aber diesen Vertrag hast Du nie abgeschlossen. Du wurdest nicht gefragt, ob Du damit einverstanden bist. Und wenn ein Part - also die Eltern - von völliger Selbstverständlichkeit ausgehen, ist es schwer, ihnen Deine Sicht des nicht unterschriebenen Vertrages klar zu machen. Vielleicht sorgst Du ja auch gerne in praktischer Hinsicht für Deine Eltern, aber nicht in emotionaler. Viele Eltern aus der Generation der Kriegskinder, Nachkriegskinder oder auch Kriegsenkel tragen unverarbeitete Traumata in sich und verbreiten damit eine unerträgliche Schwere. Sie können einem die Lebensenergie geradezu absaugen und erwarten, dass Du dafür zur Verfügung stehst. Das sind alles unbewusste Prozesse. Schau mal für Dich, wie Du dich in der Gegenwart Deiner Eltern fühlst! Frei, leicht, freudvoll? Oder dumpf, schwer, träge? Wie geht es Dir, wenn Du ihre Gegenwart wieder verlässt? Belastet Dich dann immer noch etwas? 

Selbstfürsorge

Wichtig ist, dass Du gut für Dich sorgst. Du hast das Recht, Dein Leben erfüllt und in Freude zu leben. Deine Eltern kannst Du nicht retten aus ihren emotionalen Verstrickungen. Es hilft niemandem, wenn es Dir als einer dritten Person auch noch schlecht geht. Damit strahlst Du die Negativität in Deine eigene Umgebung und sie potenziert sich immer weiter. Vielleicht ist Dir das vom Kopf her klar und doch ist da immer wieder das Gefühl, es darf Dir nicht gut gehen. Vielleicht sogar: "ich habe kein Recht (glücklich) zu leben"? Dann übernimm die Verantwortung für Dich selbst. Deine Eltern wollen Dich in den seltensten Fällen unglücklich sehen. Sie wollen kaum jemals bewusst, dass Du ihnen ihre Lasten abnimmst - was auch völlig unmöglich ist. Deine Eltern sind für sich selbst verantwortlich und wenn sie weiter leiden wollen, ist das ihre Entscheidung. Die Schwere setzt sich oft über Generationen einfach nur weiter fort solange nicht jemand beschließt, sie abzulegen. Und dieser Jemand bist Du! Du kannst nicht ändern, was Du bis jetzt gefühlt hast an Schuld, Angst und Belastungen. Aber jetzt, in diesem Moment kannst Du Dich entscheiden ohne Schuld, frei, erfüllt und in Freude zu leben.

Suche Dir Unterstützung dabei wenn es ganz alleine nicht geht. Ich bin gerne für Dich da und unterstütze Dich, diese Themen in Dir selbst und auch in der Ahnenlinie zu transformieren. Denn wenn Du Dich entschließt, in Deiner vollen Größe, Deinem Potential und in Selbstliebe zu leben, dann strahlst Du das auch in Deine Umgebung. Jede Deiner Begegnungen wird mit mehr Liebe, Mitgefühl und Freude erfüllt.  Das verändert die Welt und je mehr Menschen sich dazu entschließen, desto kraftvoller und weitreichender ist diese Veränderung.

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