"Eigentlich geht es mir ganz gut, muss ich sagen"

Herzlich willkommen in meinem ersten Blogbeitrag! Mit diesem Beispiel möchte ich meine Serie über Ausdrucksweisen und ihre Bedeutung beginnen. Benutzt Du das Wort "eigentlich" und/oder den Ausdruck " muss ich sagen" auch manchmal? Bist Du Dir dessen bewusst, wenn Du diese Wörter verwendest? Und warum ausgerechnet diese Wörter und was sie in Dir auslösen? Wenn nicht, möchte ich dieses Bewusstsein und eine Achtsamkeit für Deine Ausdrucksweise und die damit verbundenen Gefühle in Dir wecken.

Lass Dich einfach spielerisch darauf ein!

 

Wie fühlt sich "eigentlich" an? Für mich stellt es eine Einschränkung des Gesagten dar und drückt nicht die ganze Wahrheit aus. Oder möglicherweise sogar das Gegenteil von ihr? Ich lade Dich ein, es laut auszusprechen! Sag einmal: "eigentlich geht es mir ganz gut" und spüre nach. Und dann versuche es mit: "mir geht es gut". Fühlst Du einen Unterschied beim Aussprechen, vielleicht irgendwo in Deinem Körper? Einen Widerwillen, ein ungutes Gefühl? Spüre dem nach und erkunde, welcher von beiden Sätzen jetzt Deine Wahrheit ist. Kannst Du in Deinen Körperempfindungen ein "ja" erkennen? Wo fühlst Du ein "ja," wo ein "nein"?

Und dann auch noch mit dem Zusatz "muss ich sagen"! Wer bestimmt, dass Du es sagen musst? Welche Instanz in Dir? Etwas sagen zu müssen heißt, das es nicht freiwillig geschieht. Du bist dazu gezwungen. Warum? Weil es sich so gehört? Weil Du nicht zugeben darfst, dass es Dir nicht so gut geht? Um das Gegenüber mit Deinen schlechten Gefühlen nicht zu belasten? Dann versuche es nochmal laut zu sprechen. Sage: "eigentlich geht es mir ganz gut, muss ich sagen". Und dann: "mir geht es gut". Spüre wieder nach in Deinem Körper wie oben beschrieben und nimm die Unterschiede wahr. Mir zu  Beispiel vermittelt der Zusatz "muss ich sagen" eine gewisse Sicherheit. Ich selbst habe damit weniger Verantwortung für das Gesagte, denn irgendeine innere Instanz schreibt es mir ja vor.  Hier lohnt es sich, genauer nachzuforschen, welche innere Stimme in Dir Dich dazu nötigt. Meistens gehen diese inneren Stimmen auf Prägungen in der Kindheit zurück. Im Zusammenhang mit Deinem Zustand kann es sein, dass Dir in Deiner Kindheit bestimmte Gefühle wie Wut, Ärger, Traurigkeit, Verzweiflung, Niedergeschlagenheit, Enttäuschung nicht erlaubt waren. Du durftest sie nicht zeigen bzw. nur dann, wenn es aus Sicht Deiner erwachsenen Bezugspersonen einen triftigen Grund dafür gab. Zum Beispiel eine Krankheit, ein schwerer Unfall oder der Verlust eines geliebten Menschen. Der Grund musste für die Erwachsenen nachvollziehbar und schwerwiegend sein. Etwas so Banales wie ein geplatztes Treffen mit Freunden, ein Schulwechsel, der Tod eines Hamsters oder was auch immer war nicht ausreichend. Sicher fallen Dir selbst da genügend Beispiele ein. Deine nahen Bezugspersonen, meistens die Eltern (von denen ich hier im weiteren spreche und damit auch andere wichtige Bezugspersonen einschließe), haben Dir durch ihr Verhalten zu verstehen gegeben, welche Deiner kindlichen Gefühle entweder gar nicht oder nur in bestimmten Zusammenhängen erwünscht waren. Sie haben z.B. mit Missbilligung, Ignorieren, Auslachen oder Ausgrenzen (geh auf Dein Zimmer, bis Du wieder normal bist) reagiert. Und irgendwann hast Du gelernt, Deine Gefühle zu unterdrücken und eine Stimme, eine Instanz in Dir selber ausgebildet, die die Rolle Deiner Eltern übernommen hat. Das ist ein Vorgang, den wir tief in unserem Inneren verstecken, vor uns selbst verbergen. Denn in der Kindheit waren wir auf unsere Eltern angewiesen und in unserer Vorstellung haben sie alles richtig gemacht. In der kindlichen Erlebenswelt kann schnell Todesangst entstehen wenn wir glaubten, dass unsere Eltern uns ablehnen, alleine lassen, nicht mehr lieben. Und aus dieser Angst heraus bildete sich die innere Instanz, die die Stimmen und Anweisungen unserer Eltern übernommen hat. Die Eltern wollten uns aller Wahrscheinlichkeit nur Gutes. Aus eigenen, möglicherweise traumatischen Erfahrungen heraus, waren sie nicht in der Lage, anders zu handeln oder zu reflektieren. Aber Du kannst und darfst anders und liebevoller mit Dir umgehen!! Finde Deine eigene Wahrheit und verleihe ihr Ausdruck! Möglicherweise wirst Du überrascht sein, wieviel Verständnis und Mitgefühl Dir begegnet. Habe den Mut, authentisch zu sein und zu Dir zu stehen. Es ist ein Prozess, das kann ich Dir aus eigener Erfahrung sagen. Ein Weg, der möglicherweise nicht gradlinig ist und nicht direkt zum Erfolg führt. Gehe kleine Schritte und sei sanft zu Dir! Beobachte Deine Sprache von einer neutralen Position aus und verurteile dich nicht, wenn es nicht sofort klappt. Jeder Schritt zu mehr Achtsamkeit, mehr Wahrnehmung deiner selbst und Deiner Gefühle wird Dich langsam ein Stück weiter bringen. Und, wie ich schon auf meiner Homepage geschrieben habe: letztendlich geht es immer um Selbstannahme und Selbstliebe!

 

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